Donnerstag, 24. April 2014

"Osterspiel"


Nachdem ich Weihnachten nicht mit meiner Gastfamilie verbracht hatte, hatte ich mir vorgenommen das Osterfest in Tansania zu erleben und nicht zu verreisen, auch wenn ich von der Arbeit aus über Ostern fünf freie Tage hatte.
In den Büschen hängen kleine Ostereier, manchmal echte, angemalte, manchmal welche aus Plastik. In den Supermärkten stolpert man im Eingang über einen Haufen von Schokoosterhasen. So kennt man die Wochen vor Ostern in Deutschland.
In Moshi sieht man davon gar nichts. Das Leben geht seinen gewohnten Gang und jeder geht seiner Arbeit nach.
Mittwoch war der letzte Arbeitstag einer ereignisarmen Woche, da alle damit gerechnet hatten, dass wir ab Montag frei hätten. Dem war aber nicht so. Zu Hause wurde ich dann von Clara und Ruth überrascht, die aus der Schule über Ostern zurück waren. Das hat das Haus stark belebt. Es folgte ein entspannter Donnerstag. Einfach mal ausruhen. Mittags Mama Joffrey beim Chapatibacken helfen. Meine Aufgabe: Teig ausrollen, wobei jeder nicht exakt kreisrunde Teigfladen von meiner Lehrerin wieder in die Ausgangsform gebracht wurde und nochmal ausgerollt werden musste. Die Chapati schmecken super, aber es steckt doch sehr viel mehr Arbeit drin als in einfachen Pfannkuchen.

Die Osterfeierlichkeiten begannen dann am Abend. Um sieben Uhr war Gottesdienst in Moshi. Zu meinem Erstaunen war die Kirche nicht so stark besetzt wie ich es erwartet hatte. Was wahrscheinlich auch daran liegt, dass in der im Zentrum Moshis kaum jemand wohnt. Abends wird es in Rund um den Busbahnhof herum sehr schön ruhig. Kein „Gehupe“ der Busse, und Dallas, kaum Autos und Motorräder. Keine Werbewagen beladen mit Lautsprechern, die das nächste Event in Moshi ankündigen, keine sich streitenden Ticket- oder Snackverkäufer. Die Straßen sind leer, aus dem Chaos des Tages, ist ein ruhiges, friedliches Städtchen geworden.  
In dieser schönen, ruhigen Atmosphäre begann mit ein klein wenig Verspätung der Gottesdienst, dessen Höhepunkt das Abendmahl war. Aber daran, dass es zum Abendmahl Wein aus kleinen, metallenen Schnapsgläsern gibt, muss ich mich immer noch gewöhnen. Übrigens sitzen in der Kirche Männer und Frauen getrennt, wobei das nicht so streng ist, und nicht von jedem eingehalten wird. Es gehört dazu, aber man findet immer wieder auch Männer unter den Frauen und umgekehrt. Warum das so ist? Kann mir keiner sagen. Das hat sich so entwickelt. Für mich ist das ganz nett, denn ich lerne immer neue Persönlichkeiten kennen, die mir auch beim Finden der richtigen Stellen im Gesangbuch helfen. Diese Offenheit und Hilfsbereitschaft hier in Tansania ist unbeschreiblich schön.
Gegen zehn Uhr waren wir dann zu Hause und konnten uns an den von Claru vorbereiteten Tisch setzen. Die beiden sind zu Hause geblieben (worden), da sie noch nicht fertig waren und  unbedingt los musste, da es ja seine Arbeit ist.

Am Freitag war dann mein persönlicher Gottesdienstmarathon. Startschuss war gegen sieben Uhr morgens. Da Karfreitag ist, und es dazu gehört, dass man ordentlich gekleidet in die Kirche geht, hatte ich mich in Schale geworden (Anzug mit weißem Hemd). In der Kirche trugen die meisten Männer aber nur ein Hemd, die Frauen hingegen hatten sich mit ihren sehr schönen, bunten Kleidern gekleidet. Die Kirche war aber immer noch nicht so voll wie gedacht. Nach dem Gottesdienst ging es für drei bzw. vier Stunden nach Hause, denn um zwei Uhr stand der nächste Gottesdienst an.
Zu Hause wurde der durchs frühe Aufstehen fehlende Schlaf nachgeholt und ich habe es nicht bereut, denn der zweite Gottesdienst sollte anstrengend werden.

Gegen zwei Uhr bin ich dann wieder in die Stadt gefahren, alleine. Wobei Janet meinte, sie komme nach. Aber sie musste aber noch Essen für 90 Leute vorbereiten, die bei ihr bestellt hatten.
Ich sitze also im Gottesdienst wieder in Sonntagskleidung, dieses Mal war die Kirche voll, und stelle nach ein paar Minuten fest, dass der zweite Gottesdienst dem ersten in den Texten, Psalmen und Liedern gleicht. Und zwar exakt. Ich hab mich in der Situation ziemlich geärgert und dachte zu wissen, wieso auch Claru zu Hause geblieben waren. Aber in diesem Gottesdienst mutierte die Kirch zu einem riesigen Theater! Die Bühne war die ganze Kirche, vornehmlich aber der Bereich vor dem Altar.
An der Stelle, an der sonst die Predigt kommt, kündigte der Pastor eine Jugendgruppe an, die ein Theaterstück aufführen wolle. Ich dachte, dass es ein kurzer Sketch ist oder so und danach die Predigt kommen würde, aber der Sketch wurde länger und länger. Am Anfang habe ich nichts verstanden. Vorne riefen mehrere Leute gleichzeitig irgendwas in Mikrofone. Es war laut. Und ich hatte keine Lust mehr. Hat dieses Drama denn irgendetwas mit dem Anlass gemeinsam? Wie lange soll das denn noch gehen? Kommt dann nach dem Theaterstück noch die halbstündige Predigt? Wovon handelt dieses Stück überhaupt?
Aus den Anfangsszenen wurde ich jedenfalls nicht schlau. Erst nach einer Stunde (!) wurde mir bewusst was um welches Drama es sich handelt
Gespielt wurden „Die letzten Tage von Jesus“. Angefangen mit seinem Einzug nach Jerusalem bis hin zur Kreuzigung. Grundlage des Stückes: Die Bibel. Ca. 60 mitwirkende, junge Schauspieler, die das Stück und seine Dialoge selbst geschrieben hatten. Die Jugendgruppe der Kirche, wie ich später herausfand. Alle waren mit Herzblut dabei. Leider wurden manche Szenen unnötig in die Länge gezogen, gleichzeitig kam der Humor auch auf seine Kosten und die Tansanier bekamen sich teilweise nicht mehr ein. Vor allem die Soldaten hatten einen schweren Stand. Mit ihren „Vollbärten“ aus gelocktem Kunsthaar, das man sonst auf dem Kopf der tansanischen Frauen findet, und ihren roten Kopftüchern, wirkten sie wenig seriös und mussten jedem Befehl Folge leisten. Als dann Judas die Soldaten durch den Mittelgang der Kirche zu Jesus führte, mussten sich die Soldaten alle drei Meter auf seinen Befehl hin zu Boden werfen, um sich zu verstecken. Das war schon sehr lustig, vor allem da der Offizier immer der Letzte war und dem Vorletzten noch einen Klapps mit seinem Speer gab.
Einfache Komik, aber sehr lustig. Meinen Sitznachbarn hat es sehr gefallen. Gegen Ende wurde es vor allem Laut. Aufgebrachte Soldaten und eine Menschenmenge schrie durchgehend „Kreuzige Ihn“, während gleichzeitig gesprochen wurde und das klagende, sehr laute und schrille Geheule Marias aus den Übersteuerten Lautsprechern zu hören war. Das war schon ein bisschen strange. Mir sehr befremdlich, da es ehr wie die Filmmusik eines Horrorfilms klang.
Und jetzt mit einigen Tagen Abstand kann ich sagen, dass dieses Theaterstück der Höhepunkt meines Ostern war. Als das Theaterstück dann nach zweieinhalb Stunden zu Ende war, ging der Gottesdienst weiter, aber nur noch mit Kollekte, Gebet und Segen und zum Glück ohne Predigt, die hääte ich dann nämlich verschlafen. Insgesamt habe ich ca. 6 Stunden in der Kirche verbracht, wenn nicht sogar etwas länger.

Gegen sechs Uhr bin ich dann zu Janet in den Uhuru-Park hinter der Kirche gegangen, wo die Gäste nach der Kirche erwartet wurden. Ich in Anzug wartete also hundemüde und bekam dann kurzerhand noch einen Job als Flaschenöffner. Dann kamen die Gäste. Und es war die Jugendgruppe der Kirche, die das Theaterstück aufgeführt hatte. Jeder bekam seine Soda und seinen Teller mit Essen. Es war sehr schön. Anschließend habe ich noch beim Aufräumen geholfen und dann mit Janet und Mama Ulomi auf Debbie gewartet, die von einer Feldstudie über Albinos aus Daressalam zurückkam. Dann ging es gegen neun endlich nach Hause. Stolz habe ich da von dem Theaterstück berichtet, denn ich dachte ich hätte in einer Premiere gesessen. Aber lachend wurde mir erklärt, dass das Stück jedes Jahr am Karfreitag aufgeführt werde, wie das Krippenspiel in Deutschland. Ein „Osterspiel“ so zu sagen. Aber Fredrick stimmte mir z: Dieses Jahr war es etwas zu lang geraten.

Am Sonntag gab es auch zwei Gottesdienste, aber wir sind nur zu einem Gegangen und glücklicherweise zum späteren um zehn. Mit knapp drei Stunden ein sehr moderater. Nach dem Gottesdienst und unzähligen „Yesu amefufuka! Amefufuka queli, queli! Haleluja!“ Rufen (Jesus ist auferstanden, er ist wirklich auferstanden) ging es zu einem Essen in eine der Gemeinden Moshis, Njoro genannt. An diesen ganzen Veranstaltungen mit dem Bischof kann, darf bzw. muss ich immer teilnehmen. Sie sind nicht so spannend und gleichen sich leider sehr. Aber das gehört dazu. Nach einer Vorstellung aller Anwesenden und kleineren Reden gab es Mittagessen. Aber kein besonderes Osteressen wie ich es von zu Hause kenne. Aber es gab das, was hier in Tansania als besonders gilt. Also ein Buffet mit Reis, Pilau, Kochbanaen, Ziegenfleisch, Fleichsoßen, labbrigen Pommes, einem Gurken-Tomaten-Salat, ein wenig Gemüse. Für mich ist dieses Essen aber irgendwie nicht mehr so besonders, denn auch jeder Feier auf die ich gehe oder zu der ich mitgenommen werde, gibt es das gleiche. Nach dem Essen gab es noch weitere kurze Reden und alle Männer mussten kurz „stellvertretend für alle Männer“ aufstehen, da sie im nicht so regelmäßig zur Kirche gehen, wie die Frauen. Damit war der Ostersonntag offiziell vorbei. Und es ging nach Hause. Wo noch ein nettes Abendessen mit Pizza anstand.
Ostermontag habe ich meinen Vorsatz gebrochen tansanisch Ostern zu feiern und bin nicht in die Kirche gegangen. Alle anderen aber auch nicht.

Samstag und Montag standen noch zwei Send Off Partys an. Beschreiben muss ich aber nur eine, da auch diese Feiern immer gleich ablaufen. Alles hat seinen exakt vorgegebenen Gang. Unterschieden haben sich beide Feiern nur in der Anzahl der Gäste und in dem offensichtlichen Preisunterschied. Eine fand in einem schicken Saal statt, es gab Kellner, die Getränke vorbeibrachten und mehr als genug zu Essen. Dafür waren aber einige Tische unbesetzt geblieben. Die andere war eher das komplette Gegenteil. Sie fand in einem Kirchenrohbau statt, es gab für jeden nur eine Soda, Keller waren Verwandte oder Freunde der Eltern, das Essen wurde am Ende knapp. Aber es war übervoll. Einige mussten draußen sitzen.
Ablauf. Kleine Andacht, Braut stellt alle anwesenden in groben Zügen vor, ein Kuchen wird von Braut an eigene und Familie des Bräutigams gegeben. Selbiges passiert mit der Ziege. Anschließend großes Essen (siehe oben) Im Anschluss werden Geschenke an Braut gemacht. Optional kann die Braut vor dem Essen ihren Bräutigam noch vorstellen, muss sie aber nicht. Es ist ihre Feier, die aber von den Eltern organisiert wird und die auch die Gäste einladen.
Ich finde diese Feiern nett, aber auch ein klein wenig langweilig.

Das war mein Ostern in Tansania, ohne Ostereier, irgendwie ein wenig fremd, aber doch eigentlich sehr schön.
Montagmorgen bin ich dann übrigens um sechs aufgestanden und habe für alle Angestellten, meine Gastschwestern und eine Cousine von Janet Eier gekocht und gefärbt. Dabei wurde ich ein wenig komisch angeguckt. Mit Essen spielt man halt nicht, aber geschmeckt hat es wohl doch allen. Ruth und Clara sind dann in die Schule zurück, Janet ist mit Debbie für eine Hochzeit auf Sansibar und Fredrick ist auf Dienstreise in Rukwa, dem Missionsgebiet der Diözese. Aber schon heute kommt Janet wieder zurück.
Ich hoffe ihr hattet ein schönes Osterfest oder auch einfach ein schönes Wochenende.
Kwa heri!

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