Montag, 17. März 2014

Regenzeit - Zeit der Großen Wanderung



Früh morgens ziehen sie los, in Massen geht es auf zu den fruchtbaren Gründen, den weiten Ebenen. In der Nacht zuvor hatte es sehr stark geschüttet. Der Matsch spritzt bei jedem Schritt, teilweise sind die Wiesen überschwemmt, Pfützen wo man nur hinsieht. Alle wissen, jetzt ist die Zeit, in der alles gedeiht, bald wird das gelbbraune, trockene Gras wieder grün werden. Jetzt darf nur nicht der richtige Zeitpunkt verpasst werden, sonst wird es zu spät und am Ende steht man mit leerem Magen da.
Und mittendrin ein Mzungu namens Johann. Gut, ich war nicht zu Fuß unterwegs, sondern saß im Land Rover, aber es war unbeschreiblich dieses Ereignis zu beobachten und später auch ein Teil davon zu sein. Das schöne war, ich war an einem Ort, der nicht mit Touristen verstopft war, der nicht mehrere hundert Euro Eintritt gekostet hat. Und doch war es vor allem dieser Ort, an dem man die afrikanische Natur und das afrikanische Leben perfekt erleben konnte.
 
Gegen acht Uhr am Samstagmorgen ging es zu Hause los und schon vor der Tür waren die großen Wanderungen im Gange. Bewaffnet mit einem Schaufel-Hacke-Mix, verschiedenen Eimern und Säcken auf dem Kopf kamen uns ganze Familien entgegen, als Fredrick mit Baraka, der sich derzeit zu Hause um die Tiere kümmert, und mir auf den Weg zur Hauptstraße machte. Das Ziel hieß: Shamba (dt. Feld, Acker), aber vorher mussten wir noch einige Arbeiter anheuern. Zu dritt so ein Feld zu bestellen ist nahezu unmöglich an einem Tag.
 
Erster Halt: das nächste, kleine Straßendorf, mitten in einer riesigen Pfütze. Das nächste kleine Haus war komplett vom Wasser eingeschlossen. Nachdem ich ein klein wenig gewartet hatte, kam Fredrick zurück, ohne Arbeiter, dafür mit einer Rolle Schnur. Er schimpfte: „Die sind heute alle unverschämt teuer“. Gemeint waren die Feldarbeiter, die am heutigen, dem ersten und eigentlich perfekten Tag zum Bestellen der Felder, natürlich ihre Preise stark angehoben hatten. Also ging es weiter ins nächste Dorf. Wir waren schon ein wenig spät dran. Mit Hilfe eines Freundes saßen wir dann ein wenig später mit acht Feldarbeitern (5 Frauen, 3 Männer) im Wagen. Und es ging zum Feld.
Die Fahrt auf dem Feldweg war nur dank des Allradantriebs des Geländewagens möglich und Fredrick hatte riesigen Spaß daran mit Geschwindigkeit auf dem Schlamm entlang zu rutschen.
Am Feld angekommen musste erst einmal geklärt werden, was eigentlich das zu bestellende Feld sei. Dann ging es los. Mit der Schnur wurde eine Linie gezogen und dann wurden entlang der Schnur mit der Hacke kleine Löcher in den matschigen Boden gemacht. Dann wurde die Schnur parallel um ca. einen Meter verschoben und es wurde weiter gehackt/gegraben. Gleichzeitig haben zwei von den fünf Frauen unter den Arbeitern damit begonnen, den Mahindi (Mais) zu säen. Übrigens darf man sich die Felder nicht so vorstellen, wie sie in Deutschland sind. Ein Acker ist ca. 60 oder 70 Meter breit und lang, mitten drin stehen Bäume, am Boden wachsen kleine Sträucher und Teile der Maispflanzen des letzten Jahres liegen noch herum. So ging es Meter für Meter weiter. Und nach relativ kurzer Zeit waren wir am Ende des Feldes angekommen (2 Stunden oder so). Jeder hat sich ein wenig Saat geschnappt, und in jedes Löchlein wurden zwei Maiskörner fallen gelassen und das Loch anschließend mit Erde verschlossen, fertig.
Ich dachte schon, dass wir ja ganz schön schnell fertig geworden sind, musste dann aber feststellen, dass erst die Hälfte geschafft war. Pech gehabt, weiter geht’s, der nächste Acker. Das anstrengende am Säen war nicht nur das Umgraben, sondern auch das normale Gehen. An meinen Schuhen hatte sich eine fünf Zentimeter dicke Schlammschicht gebildet, die bei jedem Schritt dicker wurde, bevor dann durch einen Zufall mal ein wenig abfiel. Meine Aufgabe war das Säen. Und am Ende des Feldes waren meine Hände von dem rotgefärbten Saatmais rotgefärbt. Aber nicht nur meine Hände waren rot, auch mein Nacken und  jedes Stück Haut, das nicht von Kleidung oder einer Schlammschicht bedeckt war. Ich hatte mich, da es ja morgens bewölkt war, natürlich nicht eingecremt.
Nach Feld zwei ging es noch mit dem Auto weiter zu Feld drei. Das war vorher nicht eingeplant, die und die Arbeiter waren zerstritten, auf der einen Seite stand die Aussicht auf ein wenig mehr Geld, auf der anderen die Mehrarbeit und die aufkommende Müdigkeit. Am Ende hat das Geld gesiegt.

Abends gab es dann die zweite Wanderung. Morgens sind die Familien und Feldarbeiter teilweise sechs Kilometer oder mehr bis zu den Felder gelaufen, jetzt ging es zurück zur Straße und von da mit dem Daladala nach Hause.
Wir haben unsere Arbeiter noch zurück in ihr Dorf gefahren und sind dann nach Hause. Ich war erschöpft, aber auch glücklich, nicht zu der anderen großen Wanderung in die Serengeti gefahren zu sein, auch wenn das auch schön gewesen wäre.  

Jetzt noch einige Infos zu Feldern und der Feldarbeit in Tansania:
1. Es ist relativ wichtig den richtigen Zeitpunkt (mit den ersten großen Regenfällen) zum Säen abzupassen. Säet man früher kann es passieren, dass die Saat quasi im Boden gekocht wird, säet man zu spät, vertrocknet der Mais später nach der Regenzeit.
2. Fast jeder Tansanier, der nicht in der Stadt wohnt, hat irgendwo sein eigenes Shamba. Das normale Einkommen alleine reicht zum Überleben nicht aus.
3. Ja, es gibt auch genug Platz und genug Ackerland, damit jeder ein eigenes Feld bewirtschaften kann. Das Gebiet um Moshi herum sieht zwar relativ dicht besiedelt aus, aber sobald man ein klein wenig heraus fährt, hört die Besiedelung auf. Ich hatte die Möglichkeit mir das ganze aus der Luft anzusehen. Es gibt riesige Flächen, die am Mittwoch noch unbestellt waren, ohne auch nur ein Haus in der Nähe. Aber unser Pilot meinte, dass hier in wenigen Wochen der Mais nur so sprießen würde.
4. Hier in Tansania lernt und weiß jedes Kind wie man ein Feld bestellt. Eigentlich hat jede Schule ihre eigenen Felder und einen Teil der Schulzeit verbringen die Kinder auf den Feldern. Schon in der Grundschule. Als ich in den letzten Tagen nach Hause gelaufen bin wurde ich nicht von aufgebrachten, sondern von müden mit der Hacke und dem Schulranzen bepackten Kindern begleitet.
5. Felder wechseln fast jedes Jahr den Besitzer, aber fast nie wechselt das angebaute Gemüse. Auch hier in Tansania gibt es Großbauern oder vielmehr Großgrundbesitzer, diese verpachten ihr Land. Jeder Pächter bekommt dann sein Feld zugewiesen. Aber fast alle bauen Mais an. (Monokulturen, Fredrick spricht schon von sinkenden Erträgen,
6. Regenzeit bedeutet nicht, dass es durchgehend schüttet, wie ich vor einem Jahr naiv dachte, vielmehr regnet es mindestens einmal am Tag. In der Regel schüttet es dann für eine oder zwei Stunden ziemlich kräftig, die Straßen die nicht geteert sind, verwandeln sich in Schlammflüsse. Nachts gab es große Gewitter, und um drei musste sich natürlich so ein Blitz fast direkt über unserem Haus entladen (so einen lauten Donner habe ich noch nie gehört) und alle waren wach. Sonst überschläft man hier jedes Gewitter.

Ich habe mich sehr über den Einblick in die Arbeit auf dem Feld gefreut. Ich habe dadurch einen neuen Teil der tansanischen Kultur kennengelernt, verstehe jetzt, was Feldarbeit bedeutet und wie viel Arbeit in einem einzigen Maiskorn steckt. So muss ja auch in Europa früher gesät worden sein. Gleichzeitig bin ich sehr froh, dass bei uns nicht mehr jedes Korn einzeln gesät werden muss und dass wir Maschinen haben, die das können. Diese Erfahrung hier gemacht zu haben, macht mir noch einmal bewusst, was ich für einen Wohlstand und Luxus in Deutschland genossen habe.
Mal wieder vielen Dank fürs Lesen, mir geht’s sonst gut. Kwa heri und bis bald.

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