Mittwoch, 26. März 2014

Wieso aus einem Busbahnhof ein Bolzplatz wird



Es ist Montagmorgen. Da sie am Sonntag arbeiten, haben die Pastoren und auch die Bischöfe und ihre Stellvertreter frei. Für mich bedeutet das: keinen lifti (Mitfahrgelegenheit). Das ist jeden Montag so und nichts Besonderes. Also heißt es entweder mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Straße und von da an mit dem Dalla in die Stadt.

Und wie das an einem Montagmorgen halt so ist, war ich ein klein wenig spät dran, wurde dann noch zum Uji (Brei aus Hirsemehl, Wasser und Milch) genötigt und habe mich dann dazu entschieden mit dem Rad zu fahren. Das steht im alten Stall, da es auf dem Hof sicherlich von den Hunden aufgefressen werden würde. Und es kommt, wie es kommen muss: Natürlich hat das Fahrrad ausgerechnet an diesem Morgen sehr wenig Luft auf dem Hinterrad. Luftpumpe habe ich nicht zu Hause, bzw. keiner weiß wo sie ist. Aber um zum Fundi zu gehen, hatte ich keine Zeit, ich muss ja zur Arbeit. Also doch zu Fuß zur Straße.
Die Sandstraße ist leicht matschig vom Regen in der Nacht, aber nach einer viertel Stunde so gegen zehn nach acht erreiche ich endlich die Arusha-Road. Normalerweise bin ich fast eine halbe Stunde früher an der Dalla-Station „Kibaoni“. Ich war also zu spät.

Aber heute war etwas anders. Vielleicht war ich sonst immer rechtzeitig vor der Rushhour an der „Bushaltestelle“ gewesen, dachte ich, denn heute standen fast dreißig Leute an der Straße und warteten auf ein Dalla. Ein wenig komisch an einer Straße auf der normalerweise Dallas im zwei bis vier Minuten Takt fahren, vor allem morgens. Auch auf der anderen Straßenseite in Richtung Boma und Arusha standen heute seltsamerweise mehr als zehn Wartende. Und es wurden auch nicht weniger. Nach zehn Minuten des Wartens der erste Kleinbus. Überfüllt rauscht er vorbei. Zehn Minuten später das zweite Dalla. Komplett leer, ich kenne die Besatzung aus Conductor und Fahrer, da ich relativ häufig mit ihnen nach Hause fahre. Es scheint ihre erste Fahrt heute zu sein. Das Einsteigen endete fast in einer Prügelei, und das Dalla war sofort bis auf den letzten kleinsten Raum gefüllt. Ich blieb draußen, auf das Gedrängel hatte ich keine Lust. Das nächste Dalla müsste ja in ein paar Minuten kommen. Kam aber erstmal nicht. Auch auf der anderen Straßenseite nahm die zahl der Wartenden stetig zu. Dann um kurz vor neun, Bodaboda Fahrer fragten schon ob sie jemanden in die Stadt bringen könnten, jedes haltende Auto wurde bestürmt, es wurde nach einem Lifti gefragt, ein Dalla. Halb gefüllt, nach meiner Station komplett voll. Ich hab mich dieses Mal ins Gedränge gestürzt und sogar einen Sitzplatz ergattert. Der war aber nicht so bepuem, da das Dalla, in dem normalerweise dreißig Leute Platz finden, dieses Mal mit gefühlten vierzig deutlich überfüllt war. Es wurde sich festgehalten wo es nur geht. Man lag mehr aufeinander, als dass man gestanden hat. Der Kopf war komplett abgeknickt, die Nackenschmerzen kündigten sich mit jeder Bodenwelle an. An eine Änderung der Kopfposition war nicht zu denken, an einen Zustieg von weiteren Fahrgästen aber auch nicht. Also kam das Dalla recht zügig in die Stadt. Aber es fuhr nicht zu großen Busstand in Moshi, sondern zu dem kleinen, an dem die Dallas starten, die nach Maili Sita (das erste Dalla ist da auch hingefahren) fahren. Gegen zehn nach neun war ich am Tor des Office. Endlich. Durch den Wachmann am Tor gab es Aufklärung: Heute fahren keine Dallas. Da hatte ich also sehr viel Glück gehabt überhaupt in die Stadt gekommen zu sein
VIP-Plätze auf der Tachterrasse;
Elisa, Rose Diana beim Chai

Im Büro war es natürlich Gesprächsthema Nummer eins. Und es wurde verschiedenste Theorien aufgestellt. Die absurdeste, aber gar nicht so unwahrscheinliche Idee: die Polizei kontrolliert heute speziell Dalla-Fahrer auf Alkohol. Aus Angst vor der Kontrolle fahren nur wenige Dallas…

Beim Chai auf der Dachterrasse habe ich den wahren Grund dann erfahren. Heute saß man nämlich nicht an den Tischen, sondern Stand an der Brüstung und beobachtete das Treiben auf dem großen Abfahrtsplatz der Dallas gegenüber. VIP-Plätze bei einem leckeren Chai. Was gabs zu sehen? Fußball! Auf dem Parkplatz spielten die Dalla-Fahrer und ihre Conductors Fußball, oder besser gesagt: wer kann den Ball am höchsten Schießen? Am besten als Volley. Alle rennen auf den Ball, ohne Rückischt auf Verluste. Sehr lustig mit anzusehen, aber es gibt natürlich einen Hintergrund und die oben beschriebene Theorie ist gar nicht so weit weg von der wirklichen Ursache des Streiks. 

Hier stehen normalerweise die Dallas, aber den Platz
kann man ja auch anders nutzen;
wer gute Augen hat, erkennt vielleicht den Ball

Ursache: Geld, bzw. kein Geld oder zu wenig. Die Dalla-Fahrer leihen sich ihre Wagen, müssen dafür aber einen festen Tagessatz an den Vermieter zahlen, der ist unabhängig vom Einkommen des Tages, von dem auch der Sprit bezahlt werden muss und die Polizei. Bei den Kontrollen. Jedes Dalla gerät mindestens einmal am Tag in solche eine Kontrolle und dann muss der Polizei ein festgesetzter Betrag gezahlt werden. Dieser Betrag ist jetzt vom Polizeipräsidenten oder so erhöht worden. Dadurch bleibt den Fahrern und den Conductors nicht genug Geld zum Überleben, auch wenn täglich mehrere hunderttausend Schillinge durch ihre Hände gehen.

Das ist der Grund für den Streik der Dallas am Montag im ganzen Landesteil Kilimanjaro. Ich hatte nicht gedacht, dass es so etwas geben könnte, einen Streik in Tansania so gut organisiert. Vor allem, da er sich nicht gegen ein Unternehmen, sondern gegen die Polizei richtet. Jeder Fahrer hat dadurch ja kein Einkommen für den Tag. Sechs Fahrer wurden von der Polizei verhaftet, weil sie Polizisten oder einen Polizeiwagen angegriffen hatten. Gefreut hat der Streik die Taxi-, Bodaboda- und Badaji-Fahrer. Die haben das Geschäft der Woche gemacht.

Meine Angst nicht mehr nach Hause zu kommen war aber unberechtigt. Erstens fuhren am Nachmittag die Dallas wieder, zweitens habe ich einen Lifti von einer netten Sister bekommen, der ich noch kurz beim Einkaufen helfen musste.
Damit endet der kleine Nachtrag zum Montag.
Kwa heri


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